9 Irrtümer

Die neun häufigsten Irrtümer zur Geschichte des Schwarzwalds

Irrtum Nr.1
Die Schwarzwälder Kirschtorte wurde im Schwarzwald erfunden.

Wenn man fragen würde, welches Schwarzwälder Produkt weltweit am Bekanntesten ist, es wäre wahrscheinlich die Schwarzwälder Kirschtorte. Wer kennt sie nicht? Schlagsahne, Kirschwasser, Biskuitboden und Schokolade – Schrecken aller kalorienbewussten Zeitgenossen. Aber wer hat die Schwarzwälder Kirschtorte eigentlich erfunden? Vieles ist umstritten. Aber eines scheint festzustehen: Im Schwarzwald wurde die erste Kirschtorte nicht gebacken. Ein Konditor Josef Keller rühmt sich bereits 1915 die Schwarzwälder Kirschtorte in Bad Godesberg, das heute zu Bonn gehört, serviert zu haben. Seit einigen Jahren will auch das schwäbische Tübingen erste Heimat der berühmten Kirschtorte gewesen sein. Ein Konditor namens Erwin Hildenbrand habe 1930 die Leckerei kreiert. Immerhin: Die Historiker sind sich einig, dass zumindest die Grundidee der Kirschtorte aus dem Schwarzwald stammt. Die Kombination von Kirschen, Rahm und Schnaps war nämlich tatsächlich schon im Schwarzwald verbreitet, als in Bad Godesberg und Tübingen noch niemand an Kirschtorten dachte.

Irrtum Nr.2
Der Titisee ist die Wiege des Schwarzwald-Tourismus

Wer heute an den Titisee kommt, kann nur staunen. Nicht nur über den malerischen See und die traumhafte Landschaft. Auch über die vielen Touristen, die aus der ganzen Weg den Weg in den kleinen Schwarzwald-Ort gefunden haben. Kaum vorstellbar, wie es hier aussah, als noch keine Gäste die Promenade bevölkerten. 

Noch im 19. Jahrhundert ist der Titisee ein kleiner verwunschener Flecken im südlichen Schwarzwald, bei dem man beim besten Willen nicht daran denkt, dass Besucher freiwillig weite Wege auf sich nehmen würden, um hierher zu gelangen. Die Bäder des nördlichen Schwarzwalds wie Griesbach, Peterstal oder Baden-Baden sind zu diesem Zeitpunkt schon längst Magnete für Gäste aus nah und fern. Erst um 1860 kommt Franz Otto Eigler auf die Idee, Tagesbesucher und Kurgäste zum See  zu locken und ihnen Kost & Logis  anzubieten. Er kauft das Seevittehiesli und beantragt bei den zuständigen Behörden die Erlaubnis, dort eine Gastwirtschaft betreiben zu können. Die örtliche Verwaltung ist aber zunächst gar nicht begeistert. Dass Touristen an den Titisee kommen würden, übersteigt ihre Vorstellungskraft. Man fürchtet, dass eine Gastwirtschaft nur „Strolche und Vagabunden“ anzieht. Eigler brauchte viel Durchhaltevermögen und Überzeugungsarbeit, um seine Genehmigung zu bekommen. Dann aber geht es richtig los. 1871 beginnt er mit dem Bau seines Hotels und bald darauf stehen die Droschken Schlange bei ihm. Heute ist Titisee die Top-Destination des Schwarzwalds für Besucher aus aller Welt.

Irrtum Nr.3
Früher gab es keine Umweltprobleme im Schwarzwald

Wer sich heute mit dem Zustand des Schwarzwalds beschäftigt, der hat manche Sorgenfalte im Gesicht. Der Klimawandel macht dem Mittelgebirge zu schaffen. Manche Baumart wie Fichte, Kiefer und Buche leidet schon jetzt unter den höheren Temperaturen. Hinzu kommt der Borkenkäfer, der sich in heißen, trockenen Sommern explosionsartig vermehrt und zuerst kranke, dann auch gesunde Bäume befällt. Da mag manch einer an die gute alte Zeit im Schwarzwald zurückdenken, als von Umweltprobleme noch keine Rede war. Und tatsächlich: Bis vor ungefähr 1.000 Jahren waren die allermeisten Teile des Schwarzwalds von dichten, fast undurchdringlichen Baumbeständen bedeckt, einem Schwarzwälder Urwald. 

Bis der Mensch kam und schon im Mittelalter Holz als vielfältigen Rohstoff entdeckt. Zuerst sind es die Glasmacher, die mit ihren Glashütten rodend durch den Wald ziehen. Dazu kommen die Harzer, die es auf den Baumharz abgesehen haben, und die Köhler, die Holz zu Holzkohle verwandeln. Schließlich wird das Holz zum begehrten Exportprodukt und mithilfe der Flößerei gelingt es, Schwarzwälder Baumstämme in weit entfernte Regionen zu schaffen.  Aber auch heimische Eisenwerke und wachsende Siedlungen benötigen mehr und mehr des begehrten Brennstoffs und die sich ausbreitende Weidewirtschaft nagt weiter am ohnehin schwächelnden Waldbestand. Ende des 18. Jahrhunderts ist der Schwarzwald nicht mehr wiederzuerkennen. Wo früher Urwald wuchs, sieht man nur noch abgeholzte Flächen. Ganze Täler- und Höhenzüge sind um 1800 vollständig entwaldet. Da amcht sich zum ersten Mal in der deutschen Geschichte ökologisches Denken breit und es beginnt der Siegeszug eines Begriffs, der bis heute die Diskussionen bestimmt: die Nachhaltigkeit. Die ersten Forstgesetze werden erlassen und Förster achten fortan auf eine angemessene Nutzung der Holzressourcen. Die gerodeten Flächen werden großflächig aufgeforstet. Der Wald etabliert sich als schützenswertes Naturgut. Hinzu kommt, dass die Kohle im 19. Jahrhundert Holz als Brennstoff Nummer 1 für Industrie und Haushalte ablöst. Die Trendwende gelingt. Der Schwarzwald kehrt zurück. Und wir können heute unseren Vorfahren aus dem 19. Jahrhundert danken, dass sie erfolgreich darum gekämpft haben, den Schwarzwald zu erhalten. 

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Irrtum Nr.4
Wer früher im Schwarzwald geboren wurde, der blieb auch dort

Heute sind die Menschen mobil. Die wenigsten Menschen bleiben ihr ganzes Leben an dem Ort, an dem sie geboren wurde. Viele absolvieren bereits die Ausbildung an einem anderen Ort, andere ziehen für einen Beruf weit weg von ihrer Heimat. Und sogar für Rentner ist es attraktiv, den Ruhestand im sonnigen Ausland zu verbringen. Aber früher? Da gab es das alles noch nicht. Und schon gar nicht im Schwarzwald. Wer in seinem Dorf geboren wurde, der wusste, dass er dort auch seinen Lebensabend verbringt – oder?

Ganz so einfach ist es nicht. Die Bewohner des Schwarzwalds erweisen sich bereits vor vielen hundert Jahren als mobil – manchmal gezwungenermaßen. Bereits im 18. Jahrhundert gibt es zahlreiche Auswanderer. Damals war oft Banat in Ungarn das Ziel der Schwarzwälder. Das österreichisch-ungarische Kaiserreich, zu dem damals auch große Teile des Schwarzwalds gehörten, hat Interesse, dass die Menschen diese Region bevölkern. Im 19. Jahrhundert werden manche Dörfer des Schwarzwalds durch Auswanderungswellen nahezu entvölkert. Aufgrund der grassierenden Armut werden die Bedürftigen mitunter geradezu gedrängt den Schwarzwald zu verlassen – meistens Richtung Amerika. Alleine 1850 bis 1855 verlassen 62.000 Menschen Baden, um andernorts ihr Glück zu finden. Aber nicht immer ist es Zwang, der die Schwarzwälder in ferne Länder treibt. Im 18. Jahrhundert schon ziehen vom Schwarzwald aus  Uhrenträger in die ganze Welt, um das Schwarzwälder Exportprodukt Nr.1 zu verkaufen. Erkennbar sind sie an ihrer Tracht: Lederkniebundhose, rote Weste, schwarzer Bauernhut. Ihr Handelsgebiet reicht bis nach Russland, England, in die Türkei und die Vereinigten Staaten. Wenn sie nach vielen Jahren aus dem Ausland in den Schwarzwald zurückkehren, bringen sie fremde Sitten und Gebräuche mit. Und in manchem Schwarzwaldgasthof halten die zurückgekehrten Schwarzwald-Engländer nachmittags um 5 Uhr teatime ab. 

Irrtum Nr.5
Schwarzwälder Frauen hatten nichts zu sagen

Auch im Schwarzwald bestimmten über viele hundert Jahre die Männer das Geschehen. In der Politik, in der Wirtschaft und auch in den Familien. Aber daraus den Schluss zu ziehen, dass die Schwarzwälderinnen nur stille Mauerblümchen waren und sich um Hof und Kinder kümmerten, ist ein Trugschluss. 

Dass sie sich nicht alles gefallen ließen, davon zeugen nicht zuletzt die legendären Gefangenenbefreiungen in der Geschichte des Schwarzwalds. Als Männer von der Staatsgewalt festgesetzt werden, schließen sie sich zusammen und zeigen der Obrigkeit ihre Grenzen auf. 1726 befreien Dutzende Frauen in Pforzheim zwei aus ihrer Sicht zu Unrecht inhaftierte Männer mit den Worten: „Ihr tausend Sakrament, gebt uns unsere Männer!“. Eine Meuterei aus dem Jahre 1757 geht gar als „Weiberkrieg“ in die Annalen der Stadt Freiburg ein. Hunderte von Frauen stürmen dabei unter lautstarkem Einsatz von Topfdeckeln und Ofentüren den Gefängnisturm und nehmen zwei eingesperrte Wilderer mit. 20 Jahre später tun es ihnen die Oberkirchnerinnen gleich. Bewaffnet mit Säbeln und Pistolen treten sie gegen die Staatsgewalt an und brechen in das Stadtgefängnis ein. 

Irrtum Nr.6
Der Bollenhut ist die Tracht des Schwarzwalds

Keine Schwarzwald-Werbung und kein Touristenführer können auf ihn verzichten: Der Bollenhut ist einfach Schwarzwald pur. So oft wie einem heute der Bollenhut begegnet, könnte man meinen, dass die roten Stoffbälle auf dem Hut die weibliche Landestracht des gesamten Schwarzwalds sind. Weit gefehlt. Der Bollenhut wird früher nur in den Schwarzwald-Dörfern Gutach, Kirnbach und Hornberg-Reichenbach – allesamt im Ortenau-Kreis – getragen. Andere Täler und Dörfer haben andere Trachten. Mit solch einer Tracht wurde nicht nur die lokale Zugehörigkeit nach außen dokumentiert. Auch Eigenschaften der Trägerin und des Trägers werden korrespondiert, z. B. ob die Person verheiratet oder ledig ist. 

Dass sich der Bollenhut als Symbol des Schwarzwalds durchsetzt, ist nicht zuletzt drei Malern zu verdanken, welche um 1900 die Gutacher Künstlerkolonie bilden. Sie entdecken den Bollenhut für ihre Bilder und verbreiteten das Symbol weit über die Grenzen des Schwarzwalds. Als dann noch Heimatfilme wie das Schwarzwaldmädel den Bollenhut zelebrieren, gibt es kein Halten mehr. Bollenhut und Schwarzwald sind fortan nicht mehr zu trennen.

Irrtum Nr.7
Schwarzwälder Hirtenbuben hatten eine glückliche Kindheit

Morgens mit den Kühen und Ziegen raus auf die Felder. Frische Luft den ganzen Tag. Abends in der Stube am warmen Feuer sitzen. Für viele von uns Städtern ist es nicht schwer, sich das Leben der Hirtenbuben des Schwarzwalds romantisch vorzustellen. Hirtenbuben sind Kinder, die noch bis in die Fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts bei fremden Bauern arbeiten müssen und sich als Bewacher der Viehherden Unterkunft und Verpflegung verdienen. Sie sind manchmal erst zehn Jahre alt oder noch jünger. Selbst der große Schwarzwald-Schriftsteller Heinrich Hansjakob schrieb, dass er sich die Hirtenbuben als die glücklichsten und zufriedensten Menschen der Welt vorstelle.

Die Realität sieht aber anders aus. Das Arbeitspensum ist für die Kinder oft unmenschlich. Sie müssen in Herrgottsfrühe aufstehen und dem Bauer im Stall helfen, bevor sie auf die Viehweide ziehen. Nach dem Abendessen fallen sie todmüde ins Bett. Freizeit kennen viele gar nicht. Bis der erste Schnee fällt, laufen sie barfuß und holen sich dabei die berüchtigten „Hütefüße“, die blau und rot verfärbt und chronisch entzündet sind. Ihr Nachtlager befindet sich über dem Stall und besteht aus einem Sack mit Haferstreu, den sie oft noch mit anderen Hirtenbuben teilen müssen. In der Hierarchie des Hofes stehen sie ganz am unteren Ende noch hinter den Knechten und Mägden. Ein Gefühl verbindet die Hütejungen im ganzen Schwarzwald: Heimweh.

Irrtum Nr.8
Dialekt,  Fasnacht, Fachwerk - ohne Alemannen gäbe es das alles nicht

Alemannischer Dialekt, alemannisches Fachwerk, alemannische Fasnacht - Kaum ein Volksstamm ist noch heute im Schwarzwald so präsent wie die Alemannen. Aber stammt wirklich alles von den Alemannen, das heute den Namen alemannisch trägt?

Ab dem 3. und 4. Jahrhundert vertreiben die Alemannen die Römer aus dem Südwesten des heutigen Deutschlands. Teile des Schwarzwalds werden im fünften Jahrhundert v. Chr. von den Alemannen besiedelt, bevor sie von den Franken unterworfen wurden. Der römische Kaiser Julian (331-363 n. Chr.) schreibt, er habe im Schwarzwald Sitten angetroffen, die Schöntun und Schmeicheln nicht kannten, sondern nur einfaches ungezwungenes Benehmen. Mit der Sprache hatte er aber wohl seine Schwierigkeiten. Sie gleiche dem Gekrächze von Vögeln, bemerkt er.

Auch wenn für manchen Besucher des Schwarzwalds der Dialekt sich immer noch ähnlich anhört wie für den römischen Kaiser, so gibt es doch nur allenfalls lose Beziehungen vom alemannischen Dialekt zu der Sprache, welche die alemannischen Vorfahren sprachen. Der alemannische Dialekt entwickelte sich aus dem Althochdeutschen. Eine Herleitung aus der Zeit der ersten alemannischen Siedler ist nur bei wenigen Begriffen möglich. Die alemannischen Fasnachtsbräuche entstanden erst ab dem 15. Jahrhundert. Das alemannische Fachwerk wurde gar erst im 19. Jahrhundert erfunden. Damals wurde – unter anderem vom Dichter Johann Peter Hebel – das Volk der Alemannen wiederentdeckt und dabei versucht, eine Verbindung zu den Sitten und Gebräuchen unserer alten Vorfahren herzustellen. Auf historische Details wurde dabei nicht allzu viel Wert gelegt.

Irrtum Nr.9
Der FC Bayern hatte in Freiburg nichts zu befürchten

Es ist die alte Geschichte von groß gegen klein, von reich gegen arm: FC Bayern gegen SC Freiburg. Vor jedem Duell ist die Ausgangsposition klar und der FC Bayern ist haushoher Favorit. Aber es gab eine Zeit, als der SC Freiburg so etwas wie der Angstgegner des Rekordmeisters aus München war. 1993 ist der SC unter Volker Finke gerade in die Bundesliga aufgestiegen und dass der Aufsteiger aus dem Südwesten mit dem kleinen Etat dem großen FC Bayern ein Bein stellen könnte, daran mögen wohl auch die größten Optimisten im Schwarzwald nicht glauben. Aber schon in der ersten Bundesligasaison verlässt das Starensemble aus München das Dreisamstadion mit gestutzten Flügeln: 1:3 heißt es am Ende aus Sicht der Bayern. Der Freiburger Stürmer Uwe Wassmer hat den Münchnern mit drei Toren im Alleingang das Fürchten gelehrt. Und im nächsten Jahr wird es noch wilder: Mit einer 1:5 Packung werden die Münchner nachhause geschickt. Wer aber damals an glückliche Zufälle glaubt, der wird ein weiteres Jahr später eines Besseren belehrt. Wieder gelingt dem SC ein 3:1 Heimsieg. Bei den Münchnern macht sich die Erkenntnis breit, dass im Breisgau einfach nichts zu holen ist. 

Irgendwann geht auch die Serie der Freiburger zu Ende und den Bayern gelingt es immer wieder, die drei Punkte aus Freiburg mitzunehmen. Aber der David schlägt sich nach wie vor oft prächtig gegen den Goliath. So gibt es zuletzt in der Saison 2018/2019 bei den Spielen in München und Freiburg jeweils ein 1:1-Remis zwischen den Kontrahenten. Und bei jedem neuen Spiel keimt die Hoffnung, dass eines dieser kleinen Wunder geschehen möge, die den Fußball so fasziniert machen.

Quellen:
Wikipedia
Ade, Dorothee und Rüth, Bernhard und Zekorn, Andreas: „Alemannen zwischen Schwarzwald, Neckar und Donau“
Weiß, Roland und Riesterer, Harald: „Der Hochschwarzwald von der Eiszeit bis heute“, 2009
Heinecke, Julia: „Zwischen Viehhüten und Hirtenschule“, 2010
Sturm, Joachim: „Die Geschichte der Stadt Blumberg“
Hoggenmüller, Klaus und Hug, Wolfgang: „Die Leute auf dem hohen Wald“
Borchardt-Wenzel, Annette: „Frauen in Baden“, 2018
www.waldwissen.net
www.fussballdaten.de

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