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Bechern und tafeln in Schwarzwälder Gaststätten
Thomas Binder • Mai 31, 2020

Schwarzwälder Gastfreundschaft hat Tradition

Sie heißen Turnerwirtshaus (St. Märgen), Himmelreich (Buchenbach) oder Bären (Freiburg) und haben eines gemeinsam: Hier wird seit Jahrunderten getafelt und gebechert. Auf die lange Tradition der Gastfreundschaft ist man in vielen Schwarzwälder Wirtshäusern zurecht stolz. Aber wie es in diesen Gasthöfen in den vergangenen hundert Jahren zuging, davon können wir uns mit heutigen Maßstäben kaum ein Bild machen.

Für lange Zeit war es keineswegs so, dass jedermann (und schon gar nicht jedefrau) in das Gasthaus seiner Wahl einkehren konnte, geschweige denn, dass jeder einen Gasthof eröffnen konnte, wo er nur wollte. Seit sich im 16. Jahrhundert im Schwarzwald Gasthöfe in den Gemeinden etablierten, hatte die Obrigkeit immer ein Auge auf die Gastronomie. Einerseits war sie interessiert daran, dass es in einer Gemeinde einen festen Ort gab, an dem Gerichtstage oder Gemeindeversammlungen abgehalten werden konnten. Und nichts war hierzu besser geeignet als ein Gasthaus.  Andererseits waren Wirtschaften eine Quelle stetiger Einnahmen. Mit jedem Schoppen Wein wurde auch ein Umgeld für die jeweilige Herrschaft fällig, das beim Wirt eingezogen wurde. Deswegen wurde es den Untertanen nicht frei gestellt, wo sie ihre Feierlichkeiten - sei es bei Beerdigungen, Hochzeiten oder Taufen - abhielten. Das Geld sollte schließlich nicht den hohen Herren in benachbarten Gebieten zufließen. Umgekehrt durfte auch nicht jeder Gasthof diese sogenannten "großen Zehrungen" abhalten. Dieses Recht wurde vielmehr verliehen und oft entbrannte zwischen verschiedenen Gasthäusern Streit darüber, bei wem Feste veranstaltet werden durften. Schließlich hing das Auskommen eines Wirtes daran, solche großen Zehrungen ausrichten zu dürfen.

Eine große Zehrung ging weit über das hinaus, was heute bei Familienfesten üblich ist. Geladen wurden beispielsweise bei Hochzeiten nicht nur die Familie, sondern alle Einwohner der Gemeinde. Es bestand geradezu eine Pflicht, dass jede Familie an den Festivitäten teilnahm. Die Tatsache, dass das Hochzeitspaar von den Kosten freigehalten wurde, und jeder Gast für sich selber zahlen musste, führte sicher nicht dazu, dass weniger Einladungen ausgesprochen wurden. Eine solches Fest ging dann oft über mehrere Tage, an denen gegessen, getanzt, gesungen und nicht zuletzt gebechert wurde. Auch das rief wiederum die Obrigkeit auf den Plan. Den allzu große Völlerei war bei aller Freude über das damit verbundene Umgeld nicht gerne gesehen. In Zeiten, in denen die Sündhaftigkeit des Lebens für Krankheit und Not verantwortlich gemacht wurde, gab es zahlreiche Vorschriften, um die lokalen Festivitäten einzudämmen. So wurde die Dauer eines erlaubten Fests genauso reglementiert wie die Speisenfolge oder die Anzahl der einzuladenden Gäste. Aber nicht jede Vorschrift befolgten die Schwarzwälder wortgetreu. Das belegen die zahlreichen Beschwerden über das "Jauchzen und Schreien" und das "lästerliche Gebaren" , die in den lokalen Amtsakten dokumentiert sind. Die Schwarzwälderinnen und Schwarzwälder ließen sich offensichtlich nicht davon abbringen, ein paar Mal im Jahr über die Stränge zu schlagen,  auch und gerade in schwierigen Zeiten.

Quelle: Jochen Schröder: "Die Große Zehrung in den Gastwirtschaften des südlichen Schwarzwaldes in Schauinsland 2011, 71ff
DD
von Thomas Binder 19 März, 2023
Wer heute den Begriff "Folter" hört, dem mögen als erstes Unrechtsaaten einfallen, wo diese Methode heute noch praktiziert wird oder in Deutschland noch im 20.Jahrhundert angewendet wurde. Oder er denkt an Hexenprozesse in längst zurückliegenden Zeiten. Dort wurde mit Hilfe der "peinlichen Befragung" die verdächtige Person dazu gebracht wurde, die angeschuldigten Taten zu gestehen und dabei oftmals sogar noch andere Menschen zu verdächtigen, denen dann ebenfalls ein Hexenprozess drohte. Der Anwendungsbereich der Folter erstreckte sich jedoch Jahrhunderte lang weit über die Verfahren gegen Hexen hinaus. Auch bei allgemeiner Kriminalität wie Gewalt- oder Eigentumsdelikten wurden gewaltsame Verhörmethoden zur Anwendung gebracht. Voraussetzung war hierfür in der Regel nur, dass ein hinreichender Tatverdacht bestand und der der Verdächtige nicht freiwillig gestand. Ein Geständnis war nämlich in der Regel die Voraussetzung für eine Verurteilung des Täters. Eine Beweisführung und -würdigung wie in modernen Strafprozessen war bis ins 19.Jahrhundert unbekannt. Bei der Folter handelt es sich jedoch keineswegs um ein Relikt des Mittelalters. Die Tortur wurde vielmehr bis weit in das 18.Jahrhunderte praktiziert. In der Württembergischen Kriminalordnung von 1732 ist der Folter noch ein eigenes Kapitel gewidmet. Für Freiburg ist nachgewiesen, dass dort ein Verdächtiger noch im Jahre 1785 "peinlich examiniert" wurde. Falsch ist die Vorstellung, dass die Folter willkürlich, also nach Gutdünken der Verhörperson angewendet wurde. Wann und wie der Verdächtige gemartert werden durfte, war in Gesetzen wie der Württembergischen Kriminalordnung detailliert festgelegt. Zunächst zeigte der Scharfrichter dem Betroffenen die Folterwerkzeuge nur. Machte dieser danach noch keine Anstalten, ein Geständnis abzulegen, so begann die Folter mit dem ersten von drei Schweregraden. Jedes Folterinstrument wurde einem Schweregrad zugeordnet. Die Folterung war für jeden Schweregrad zeitlich begrenzt. Die während der Tortur gemachten Aussagen mussten dann nach 24 Stunden in Anwesenheit von sieben ehrlichen Männern ohne Anwesenheit des Scharfrichters vormittags an einem anderen Ort als die Tortur zur Bestätigung vorgelesen werden. Bleibende Schäden – darauf legte die Kriminalordnung Wert – sollte der Gefolterte nicht davon tragen. So ist der Fall der Margaretha Schiemännin überliefert, die nach einer Folterung mit den spanischen Stiefeln im Jahre 1744 einen bleibenden Schaden am Bein davongetragen hatte. Das Königreich Württemberg gewährte ihr einen Kuraufenthalt in Bad Wildbad, damit sich ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen bessern mögen.
von Thomas Binder 11 Feb., 2023
Es gibt nur wenige Gegenstände, die so eng mit der Geschichte des Schwarzwalds verknüpft sind und bis heute so gut vermarktet werden wie die Uhr. Kein Laden für Mitbringsel kommt ohne Kuckucksuhren in allen Größen und Formen aus. Und wenn es historische Darstellungen der Uhrenproduktion gibt, dann sieht man oft einen Uhrmacher in einem heimeligen Schwarzwaldhaus, konzentriert gebeugt über seinen Holztisch, der voller Werkzeug und den Einzelteilen eines Uhrwerks. Manch einer wünscht sich dann in die Zeit zurück, als die Uhren noch von Hand gefertigt wurden und der Schwarzwälder Uhrmacher abends stolz auf sein Tagwerk zurückblicken konnte. Die Realität sah anders aus. Ab der Mitte des 18. Jahrunderts wurde Heimarbeit zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor im Schwarzwald. Dabei ging es nicht nur um die Uhrmacherei. Im Todtnauer Tal wurde Baumwolle zu Garn gesponnen. In der Gegend um Bernau gingen die Schnefler zu Werke, die Kochlöffel, Kübel und Schachteln schnitzten. An anderen Orten gab es Strohflechter, Löffelmacher oder Bürstenbinder. Die Uhrmacherei selbst gliederte sich in Untergewerke wie die Schildmalerei oder die Gestellmacher.
von Thomas Binder 30 Okt., 2022
Wer war der Konstanzer Hans? Der Konstanzer Hans hieß mit richtigem Namen Johann Baptista Herrenberger und wurde 1759 in Oppenau im Schwarzwald geboren. Hans verließ mit 18 Jahren seine Familie und begann damit, seinen Lebensunterhalt durch Diebstähle und Raubzüge zu verdienen. Im Schwarzwald war er bald gefürchtet und bewundert für seinen Mut und seine Dreistigkeit. Immer wieder gelang es ihm, der Obrigkeit zu entkommen. Aber die Furcht vor dem Galgen begleitete Hans sein ganzes Leben. Als er in Gengenbach gestellt wird, scheinen seine schlimmsten Befürchtungen wahr zu werden. Erzählt der Galgentänzer die wahre Geschichte des Konstanzer Hans? Die Lebensumstände des Konstanzer Hans sind gut überliefert, weil ein Biograf - möglicherweise der Pfarrer des Gefängnisses - seine langen Gespräche mit dem Konstanzer Hans niedergeschrieben hat. Der Galgentänzer nutzt diese und andere zeitgenössische Quellen. Alle im Galgentänzer geschilderten Ereignisse und alle dort vorkommenden Personen sind so überliefert. Ergänzt wurden lediglich Details, um die Handlung anschaulich und nachvollziehbar zu machen. Was macht den Konstanzer Hans interessant? Hans war eine schillernde Figur. Ungünstige Lebensumstände sorgten dafür, dass er eine kriminelle Karriere einschlug. Aber in vielem unterschied er sich von anderen Räubern. Er versuchte Gewalt zu vermeiden, aber er scheute kaum ein Risiko bei seinen Raubzügen. Auch weil er schlau war, gelang es ihm, immer wieder dem Galgen zu entkommen. Sein Leben lang versuchte er, aus dem Sumpf der Kriminalität zu entkommen, verdingte sich als Soldat oder Quacksalber. Und auch als sein Ende vorgezeichnet schien, versucht er ein letztes Mal, seinem Leben eine neue Wendung zu geben. Warum gibt es im Galgentänzer einzelne Sachbuchkapitel? Neben der Romanbiografie des Konstanzer Hans versucht der Galgentänzer auch ein realistisches Bild des Lebens im Schwarzwald zu vermitteln. Im 18. Jahrhundert lebten zahlreiche Menschen auf der Straße und versuchten wie der Konstanzer Hans durch als fahrende Handwerker, Bettler oder Klein-Kriminelle ein Auskommen zu erlangen. Der Lebensweg des Konstanzer Hans und seine Entscheidungen lassen sich besser nachvollziehen, wenn wir diese Hintergründe kennen. Wie war das Leben auf der Straße zur Zeit des Konstanzer Hans? Die Menschen auf der Straße, zur damaligen Zeit "Vaganten" genannt, lebten unter ärmlichsten Bedingungen. Jeder Tag war ein Kampf ums Überleben. Hunger, Krankheit und Gewalt gehörten zum Alltag. Mit Hilfe der Obrigkeit durfte keiner rechnen, denn es ging immer nur darum, die Vaganten aus dem eigenen Herrschaftsbereich zu verteiben. Trotz dieser deprimierenden Lebensumstände gab es auch ein Zusammengehörigkeitsgefühl und eine eigene Kultur auf der Straße. Hierzu gehörte zum Beispiel die jenische Sprache, die nur von den Menschen auf der Straße gesprochen und verstanden wurde.
von Thomas Binder 30 Sept., 2022
Wer vor dem Kloster St. Peter steht und sich einmal um seine Achse dreht, der kommt eigentlich nicht um den Gedanken herum, dass die Mönche des Klösters, die hier einst lebten, nur zu beneiden waren, in dieser Umgebung zu beten und zu arbeiten. Aber wer an der ausgezeichneten Führung von Hans-Otto Mühleisen durch das Kloster teilnimmt, der wird schnell eines Besseren belehrt.
von Thomas Binder 24 Sept., 2022
Was im Schwarzwald passierte, bevor die Klöster ab dem 9. Jahrhundert auf den Plan traten und mehr und mehr Flächen urbar machten, darüber gibt es verschiedene Ansichten. Verbreitet ist das Bild des Schwarzwalds als undurchdringlichem Dschungel, den selbst die Römer und die Germanen mieden. Erst die Mönche hätten erste Schneissen in die Wälder geschlagen, die Viehzucht und Ackerbau ermöglichten. Eine andere Ansicht, die in den letzten Jahren viele Anhänger gefunden hat, ist das Bild des Schwarzwalds, in dem vorgeschichtliche Einwohner vielerlei Spuren hinterlassen haben. Zu diesen Spuren gehören außergewöhnliche Steinformationen wie z.B. die Giersteine bei Forbach oder die Schalensteine im Schonacher Wald. Hier sollen Kelten oder Germanen bereits lange vor den Mönchen kultische Bräuche gepflegt haben. Die Austellung "Kultur(ur)wald", die noch bis zum 16. Oktober 2022 im Franziskanermuseum in Villingen zu sehen ist, schließt sich keiner dieser Meinungen an, sondern präsentiert auf der Grundlage des aktuellen Stands der archäologischen Forschung eine eigene Sicht der Dinge: Ja, Teile des Schwarzwalds waren schon lange vor den Klostergründungen besiedelt. Und nein, die vermeintlichen Spuren kultischer Objekte sind in aller Regel das Ergebnis von geologischen Prozessen und wurden nicht von den "Ureinwohnern" des Schwarzwalds geschaffen. Warum wir lange Zeit glaubten, der Schwarzwald sei ein lebensfeindlicher Urwald gewesen, wird von den Ausstellungsmachern überzeugend erklärt. Zum einen verhindert der saure Waldboden, dass Zivilisationsspuren wie Keramikscherben bis in die Gegenwart konserviert wurden. Zum anderen gibt es - verglichen mit anderen Gegenden - relativ wenig Erdbewegungen im Zuge von Baumaßnahmen. Und bei solchen Erdbewegungen treten eben häufig Spuren der Vergangenheit in Form von Zufallsfunden offen zu tage.
Vogtsbauernhof 2022
16 Apr., 2022
"Gute Reise" lautet das Jahresmotto des Schwarzwälder Vogtsbauernhofs. In zahlreichen Veranstaltungen und einer Sonderausstellung wird das Thema Reisen im Schwarzwald mit seinen unterschiedlichen Aspekten beleuchtet.
von Thomas Binder 19 Feb., 2022
Es war der Morgen des 17. April 1936. In Freiburg lag Schnee-Griesel auf den Dächern und in den höheren Lagen hatte es kräftig geschneit. Die Wettervorhersage für den Tag sagte weiteren Schneefall voraus. In der Jugendherberge Peterhof befanden sich zu diesem Zeitpunkt 27 britische Schüler im Alter zwischen 12 und 17 Jahren, die am Tag zuvor aus London eingetroffen waren. Sie waren mit einem Lehrer auf einer privat organisierten Schülerreise. An dem Morgen bereiteten sie sich auf eine lange Wanderung vor. Es sollte zur Jugendherberge Radschert in Todtnauberg gehen, eine schon bei gutem Wetter anspruchsvolle Tour über mehr als 20 Kilometer. Der Lehrer Kenneth Keast (Bild: rechts unten) entschied sich, gegen alle Widrigkeiten, die geplante Tour durchzuführen. Die Ausrüstung, die er für sich und seine Schüler vorsah, war dabei mehr als unzureichend: Die Schüler waren mit kurzen Hosen und Halbschuhen bekleidet gewesen. Als Vesper packte jeder zwei Brote und eine Orange ein. Und die Karte des Lehrers mit einem Maßstab von 1 : 100.000 war für Wanderungen völlig unzureichend.
von Thomas Binder 20 Jan., 2022
Ernst Köpfer entdeckte einst in Bernau norwegische Skifahr-Pioniere und war fasziniert von dem, was er sah. Sein Ehrgeiz und Erfindungsreichtum sorgten dafür, dass Skier "Marke Feldberg" tausendfach durch den Schwarzwald gleiteten. Schwarzwald-Geschichte sprach mit seinem Enkel Walter Strohmeier, der in Bernau das Ski-Köpfer-Museum betreibt.
von Thomas Binder 06 Jan., 2022
Wer den Weg über die zahlreichen Treppenstufen des Allerheiligen Wasserfalls bei Oppenau zum gleichnamigen Kloster geschafft hat, der kann erahnen, wie abgelegen das Kloster erst in Zeiten des Mittelalters gelegen haben muss, als die Kutsche als luxuriöseste Fortbewegungsmittel nur den besten Kreisen vorbehalten war. Und der fragt sich auch, wie die Gründerin des Klosters Uta von Schauenburg im Jahre 1192 dazu kam, genau an diesem Ort ein Kloster zu gründen. Die Antwort darauf gibt eine Sage. Nach dieser Sage soll ein Esel losgeschickt worden sein, der mit einem Geldsack beladen war. Dort wo er den Geldsack abwirft, da sollte der zukünftige Ort des Klosters sein. Vom Anstieg ermüdet habe der Esel den Geldsack auf den Anhöhen des Lierbachtals abgeworfen und der Geldsack rollte genau dorthin, wo heute das Kloster steht.
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